
Allgemein
Bei den Leinsamen handelt es sich um die Samen des Leins bzw. Flachses.
Der Lein wird nicht nur wegen der Leinsaat, sondern auch zur Faser- (Leinen) und zur Ölgewinnung (Leinöl) angebaut.
Der Lein bzw. die Samen enthalten neben hohen Mengen an Cadmium auch noch cyanogene Glycoside, die im Organismus zu Blausäure umgewandelt werden können.
Dabei enthält das Kraut der Jungpflanzen den höchsten Gehalt an Giftstoffen, womit man tunlichst vermeiden sollte, Blätter oder andere Pflanzenteile zu verfüttern.
Leinsamen bzw. Leinsaat
Einheimische Vögel, Finken und Kanarienvögel usw. schlucken diese in der Regel im Ganzen mit der Schale, wodurch diese kaum ein Problem darstellen sollten und den Darm normalerweise unbeschadet passieren. Leider bieten diese dann aber auch keinen nennenswerten Nährwert.
Anders verhält sich das v.a. bei kleineren Sittichen, wie die Wellensittiche, die Samen entspelzen oder knacken, wodurch die enthaltenen cyanogenen Glycoside im Organismus in die hochgiftige Blausäure umgewandelt werden können.
Cyanogene Glycoside
Cyanogene Glycoside sind als Fraßschutz in einigen Pflanzen, wie z.B. den Leingewächsen, enthalten. Einen besonders hohen Gehalt weisen dabei Bittermandeln, Aprikosenkerne sowie viele Obstkerne auf.
Verstoffwechslung
Beim Verzehr und der Verdauung von Leinsamen werden durch eine enzymatische Hydrolyse von den cyanogenen Glycosiden1v.a. Linustatin und Neolinustatin im Leinsamen Cyanid (Salz der Blausäure) abgespalten.
Die entstehende Blausäure ist hochgiftig, da diese die oxidative Phosphorylierung hemmt und somit die Zellatmung beeinträchtigt bzw. blockiert. Die tödliche Dosis liegt beim Menschen bei 0,5-3,5 mg/kg Körpergewicht.
Unbedenkliche Menge
Beim Menschen werden 10-15g pro Mahlzeit bzw. 30g pro Tag als gesundheitlich unbedenklich genannt.
Höchstwerte
Untersuchungen haben ergeben, dass bei handelsüblichen Leinsamen der Cyanidgehalt im Bereich von 70-300 mg/kg ( Ø127-165mg/kg)2CVUA Sigmaringen 2009; CVUA Sigmaringen 2012; Cressey et al. 2013; Abraham et al. 2015; liegt.
Im Jahr 2023 wurde Höchstgehalt für Blausäure auf 150mg-250mg/kg3VO (EU) 2023/915 festgesetzt, wobei bei einem Gehalt von über 150mg/kg ein Warnhinweis4„Nur zum Kochen und Backen verwenden. Nicht roh verzehren!“ auf der Verpackung angebracht werden muss.
Akute Referenzdosis (ARfD)
Die akute Referenzdosis legt fest, wie viel der Substanz pro kg Körpergewicht, in diesem Fall Blausäure, ohne erkennbares Risiko über die Nahrung aufgenommen werden kann.
Für die Leinsaat beträgt die ARfD gemäß dem BfR5Bundesinstitut für Risikobewertung 0,075 mg/kg Körpergewicht.
Somit wäre die tolerierbare akute Gesamtaufnahme, auf einen Wellensittich mit 40g umgerechnet, eine Menge von 0,003mg Cyanid.
Folglich läge die möglicherweise „unproblematische“ Menge an Leinsamen bei Wellensittichen je nach Cyanidgehalt bei 12mg6Leinsamen mit max. 250mg/kg Cyanid (≙1-2 Leinsamen) oder 20mg7Leinsamen mit max. 150mg/kg Cyanid (≙3-4 Leinsamen).
Gemäß dieser Berechnung sollten in 2 TL (ca. 10g) Futter lediglich 3-4 Leinsamen enthalten sein, was etwa einem Leinsamengehalt im Futter von 0,2% entspräche
Wellensittichfutter
Bei den Körnermischungen mit Leinsamen gibt es im Prinzip erst einmal zwei Probleme:
- meist keine Angabe der enthaltenen Menge
- keine Angabe des Höchstwertes an Cyanid (max. 150 mg/kg oder 250 mg/kg)
Ein weiteres nicht unbeträchtliches Problem liegt darin, dass alle Studien mit Menschen durchgeführt wurden und die Referenzwerte von 20mg8max. 150 mg/kg Blausäure bzw. 12mg max. 250 mg/kg Blausäure, somit keinen verlässlichen Maßstab für Vögel darstellen.
Nachdem es aber keine vergleichbaren Studien zu Vögeln9nur zur letalen Dosis: „Acute oral toxicity of sodium cyanide in birds.„ gibt bzw. mir nicht bekannt sind, sind es leider die einzigen Richtwerte, die hierfür zur Verfügung stehen.
Es kann also nicht mit Sicherheit gesagt werden, ab welcher Menge eine gesundheitliche Beeinträchtigung eintritt bzw. ab wann erste Vergiftungserscheinungen auftreten.
Somit bleibt bei der Verwendung von Leinsamen in Futtermischungen für Vögel, die diese entspelzen oder knacken, immer noch ein nicht kalkulierbares Restrisiko.
Unter diesen Umständen, also in Ermangelung verlässlicher Höchstwerte, erachte ich es persönlich für sinnvoller, in Körnermischungen für Sittiche komplett auf diese zu verzichten und diese durch andere unbedenkliche Ölsaaten zu ersetzen.
➜ Weitere ungeeignete Pflanzen
- 1v.a. Linustatin und Neolinustatin
- 2CVUA Sigmaringen 2009; CVUA Sigmaringen 2012; Cressey et al. 2013; Abraham et al. 2015;
- 3VO (EU) 2023/915
- 4„Nur zum Kochen und Backen verwenden. Nicht roh verzehren!“
- 5Bundesinstitut für Risikobewertung
- 6Leinsamen mit max. 250mg/kg Cyanid
- 7Leinsamen mit max. 150mg/kg Cyanid
- 8max. 150 mg
- 9nur zur letalen Dosis: „Acute oral toxicity of sodium cyanide in birds.„